24.01.2022 - Liberale Soziale Marktwirtschaft

„Wie es ist, darf es nicht bleiben“ So lautete die These 1 des Freiburger-Programms. Ich
greife diese These auf, denn die Auseinandersetzung mit einer politisch kontroversen und nicht genau auf der derzeitigen Parteilinie liegende Position, zwingt uns zur Überprüfung der eigenen Position.

Die Aussage Dahrendorfs zeigt auf, dass die Wirtschaftspolitik nicht nur die Art beeinflusst, wie wir unser Geld verdienen und den Wohlstand unseres Landes sichern, sondern auch die individuellen Chancen für jeden Einzelnen garantieren.

Liberale Wirtschaftspolitik beruht auf den fundamentalen Grundwerten des politischen
Liberalismus, der in seiner Grundposition eine politisch freiheitliche, ökonomische und sozial ausgewogene Ordnung anstrebt.

Politisch freiheitlich bedeutet: das Grundgesetz und vor allem die Grundrechte bilden die rechtliche Konkretisierung unseres demokratischen, freiheitlichen, parlamentarischen, föderalen, rechtsstaatlichen, säkularen, marktwirtschaftlichen und sozialen Staates, sie sind die Leitplanken unserer Rechts- und Sozialordnung.

Freiheitlich bedeutet nicht ohne Regeln, denn Freiheit ohne Regeln führt in das Chaos.
Wenige aber klare Regeln führen zu Akzeptanz und Transparenz. Verwaltungsjuristen sollten dies beherzigen, denn nur dann ist ein Bürokratieabbau möglich und dieser führt zur persönlichen Freiheit jedes Einzelnen. Die Aufgabe des Staates ist es, die Bedingungen zu schaffen für die reale Freiheitsausübung, nämlich soziale Sicherheit und Gerechtigkeit.

Ökonomisch zu handeln ist die Grundlagen einer liberalen Wirtschaftspolitik. Markt und Wettbewerb sind die ordnungspolitischen Voraussetzungen und die freiheitlichen Stützen. Eine freiheitliche Gesellschaft muss sich zwar für Markt und für Wettbewerb einsetzen aber gleichzeitig gegen zu viel Macht und Besitz in den Händen weniger. Wirtschaftliche Exzesse führen zu sozialen Verwerfungen und bedrohen, wie die Geschichte lehrt, den gesellschaftlichen Frieden und führen langfristig zu permanent steigenden Sozialausgaben. Wir brauchen eine neue ethische Ausrichtung des ökonomischen Handelns und ein neues Bewusstsein für verantwortliches Handeln und einer Vorbildfunktion des Managements. Ökonomisches handeln verlangt auch eine Reform des Kapitalismus.

Ziel einer Liberalen Sozialen Marktwirtschaft ist es die Ideale der Freiheit, der Gerechtigkeit und des wirtschaftlichen Wachstums in ein ausgewogenes Gleichgewicht zu bringen. Es ist eine irenische(friedensstiftende) Formel, in der das Prinzip der Freiheit des Marktes mit dem des sozialen Ausgleichs verbunden wird.


Wie bereits erwähnt ist Maßlosigkeit eine Gefahr für die Demokratie, sie kann im extremen Fall zu einer Revolution führen. Von daher will ich in drei Bereichen eine neue liberale Sicht aufzeigen, um wieder zu einer ausgewogenen Marktwirtschaft zu kommen.

1. Einkommenspolitik

Warum ist es notwendig über Einkommenspolitik zu debattieren?
1. Die Einkommen sind sehr ungleich verteilt
2. Die Einkommensungleichheit hat sich vor 1990 kaum verändert, danach hat sich die „Einkommensschere“ stark geöffnet
3. es erfolgte ein Rückgang des Mittelstandes, selbst ein Studium ist heute kein Garant mehr für ein Leben in gesichertem Wohlstand
4. Zu große Unterschiede führen zu Verteilungskämpfen

Nach der Statistik des Statistischen Bundesamtes haben im Jahr 2020 dreiundfünfzig Prozent der Arbeitnehmer weniger als dreißigtausend Euro im Jahr verdient. Auf der anderen Seite hat die Zahl der Einkommensmillionäre zugenommen.

 

Der Geschäftsbericht 2019 der BMW-AG weist für den Vorstandsvorsitzende eine Gesamtvergütung von 8,8 Mio.€ aus. Ein Ingenieur mit einigen Jahren Berufserfahrung erhält rund 70 TEUR, also weniger als ein Prozent oder andersherum der Vorstandsvorsitzende erhielt mehr als das Hundertfache. Ein Beispiel aus dem Beamtenbereich zeigt, dass es auch anders geht.

 

Nach der Besoldungstabelle Bund 2022 erhält eine Krankenschwester oder ein Feldwebel im Bundesdienst die Besoldung: A 7 das entspricht 3.310,45 €. Ein Staatssekretär, der höchste Beamte, erhält B 11 das entspricht 15.255,00 €, er erhält also das fünffache einer Krankenschwester.

 

Deshalb mein Vorschlag:

Die steuerliche Anerkennung als Personalaufwand (Fixer und variabler Anteil) wird auf das Dreifache des Jahresgehaltes unseres Bundespräsidenten begrenzt. Diese Begrenzung soll auf keinen Fall die Vertragsfreiheit der Parteien (Arbeitgeber-Arbeitnehmer) einschränken, lediglich die steuerliche Anerkennung wird eingeschränkt. Solche Einschränkungen gibt es im Steuerrecht öfter (Beispiel: Zinsschranke).


Die Amtsbezüge des Bundespräsidenten betragen derzeit 214.000 Euro pro Jahr. Der Bundespräsident erhält zusätzlich noch eine Aufwandsentschädigung von 78. 000 Euro jährlich. Somit würde die maximale steuerliche Anerkennung als Personalaufwand bei 876.000,00 € liegen. Die darüberhinausgehenden Personalkosten in den Unternehmen könnten steuerlich nicht mehr geltend gemacht werden. Dieser anerkannte Personalaufwand entspricht mehr als dem zwanzigfachen des Durchschnitts-jahreseinkommens. Diese Begrenzung führt zu einem erhöhten Steuereinkommen. Als Beispiel, bei einer Begrenzung der steuerlichen Anerkennung hätte die Bayern München AG – in der die Fußballprofis angestellt sind - knapp 50 Mio. € mehr Steuern entrichten müssen und damiteinen Beitrag zum Gemeinwohl geleistet.

 

2. Bürgergeld

Es gilt zunächst der Grundsatz, Jeder ist für sich selbst verantwortlich gerät er in Not so hilft die Solidargemeinschaft mit dem Liberalen Bürgergeld. Das Liberale Bürgergeld ist unser FDP-Konzept einer bedarfsabhängigen negativen Einkommensteuer zur sozialen Sicherheit. Es ist auch ein sozialpolitisches Finanztransferkonzept, nach dem jeder Bürger bei Bedürftigkeit eine gesetzlich festgelegte finanzielle Zuwendung erhält, ohne dafür eine Gegenleistung erbringen zu müssen(Transferleistung). Die Auszahlung erfolgt durch das Finanzamt, da dies die einzige Behörde ist, die die sonstigen Einkünfte eines Antragsberechtigten kennt. Der berechtigte Bürgererhält einen „Gehaltsbescheinigung“ in der die Abzüge für die Sozialversicherungen ausgewiesen sind. So kann sich der ehemalige „Hartz IV“ Empfänger wie ein normaler Arbeitnehmer fühlen.

 

Das Bürgergeld setzt auf Integration in den ersten Arbeitsmarkt und ermöglicht eine gezielteWeiterbildung. Rentner mit geringer Rente erhalten eine Aufstockung bis zur Höhe des Bürgergeldes. Gleichzeitig wird durch das Verfahren Bürgergeld eine große Bürokratieentlastung erreicht. Die grafische Darstellung soll das Prinzip verdeutlichen.

 

3. Deutschlandfond

Wie bei den Einkommen so ist auch bei der Vermögensverteilung keine Ausgewogenheit gegeben. Die bisherigen Versuche haben zu keiner zufriedenstellenden Lösung geführt. Starke nicht nachvollziehbare und als ungerecht empfundene Ungleichheit zerstört das Fundament unseres Wohlstandes. Wir brauchen eine Lösung, die das marktwirtschaftliche System beibehält, aber gleichzeitig die Erträge ausgewogen allen Bürgern zugutekommen lässt. Aus dem vorherigen Abschnitt ergibt sich die Frage wie soll das Bürgergeld bezahlt werden. Das erfordert den Aufbau eines Deutschlandfonds nach marktwirtschaftlichen Prinzipien an dem alle Bürger beteiligt sind.

 

Warum ein Deutschlandfonds?

1. Nur so lassen sich die sozialen Probleme und eine Ausgewogenheit in der Zukunft lösen.

2. Damit wird das liberale Bürgergeld finanzierbar und die Versorgungslücke im Rentensystem verkleinert und die Zukunftsfähigkeit sichergestellt.

3. Rückgang der Abhängigkeit vom Staat durch Rechtsanspruch auf Bürgergeld.

4. Damit die Balance zwischen politischer Sicherheit, wirtschaftlicher Teilhabe und persönlicher Freiheit nicht aus dem Gleichgewicht gerät, denn sonst kann die Ausgewogenheit, die unsere offene, pluralistische, demokratische Gesellschaft kennzeichnet, zerstört werden.

 

Wie kann ein solcher Fonds aufgebaut werden?

Der Bund bringt alle Unternehmensbeteiligungen (Lufthansa, Commerzbank, Deutsche Bahn AG, Deutsche Post AG usw.) in einen zu gründenden Deutschlandfonds ein. Das Bahnnetz der DB AG wird analog zu den Bundesautobahnen in eine Netzbetriebsgesellschaft überführt. Geführt wird der Fonds durch die Bundesrepublik Deutschland - Deutschlandfonds GmbH ähnlich wie bei den Schulden durch die Bundesrepublik Deutschland - Finanzagentur GmbH. Deshalb eine Abgabe (solidarische Vermögensabgabe) in den „Deutschlandfonds“. Ab 100 Millionen Einkommen und/oder Vermögen sollte ein halbes Prozent pro Jahr an den Deutschlandfond abgegeben werden, ab einer Milliarde ein Prozent und ab zehn Milliardenzwei Prozent. Der Staat darf maximal 10% (Ausnahmen sind sicherheitsrelevante Unternehmen, Sperrminorität und Körperschaften des öffentlichen Rechts) an einem Unternehmen besitzen, übersteigt der Anteil diese Grenze durch die Vermögensabgabe, so sind diese Anteile zu verkaufen mit einem Vorkaufsrecht für die bisherigen Eigentümer. Der Deutschlandfonds verhält sich bei der Unternehmensführung wie ein stiller Gesellschafter und nimmt keinen Platz in den Aufsichtsräten ein. Die Dividenden werden in der Aufbauphase in Aktienerwerb angelegt. Das Parlament entscheidet über die Investitionen, ob in nachhaltige Unternehmen, Kapitalbeteiligungen bei Start- Up Unternehmen oder sonstige Unternehmen. Der Aufbau wird schätzungsweise 10 Jahre dauern, erst dann kann aus den laufenden Erträgen ein fester Anteil an den Bürgergeldaufwendungen übernommen werden.

 

Wie ein Aufbau erfolgen kann, möchte ich am Beispiel der BMW AG aufzeigen. Mit Stand2019 waren 658 Millionen Aktien im Umlauf. Die Geschwister Susanne Klatten und Stefan Quandt besitzen 46,8 Prozent der BMW-Aktien also rund 300 Millionen Aktien. Der Aktienkurs vom 13.Januar 2022 betrug 98,67 €, das entspricht einem Vermögen von rund 29,6 Milliarden Euro. Bei einer Dividende von 3,50 €wie im Jahr 2019 ergibt dies Kapitaleinkünfte von rund einer Milliarde Euro. Die Tabelle soll exemplarisch aufzeigen wie die Entwicklung der Solidarabgabe sich für den Deutschlandfonds darstellt. (Musterdarstellung)

 

Nach zehn Jahren hätten alle Bürger eine „Beteiligung“ von 9,12% an BWM, die Erben hätten immer noch 240 Millionen Aktien mit einem Wert von rund 23,7 Milliarden Euro. An Dividende hätte der Deutschlandfonds rund 825 Mio. € eingenommen. Ausschüttungen/Dividenden und Gewinnabführungen an ausländischen Beteiligungsgesellschaften dürfen erst nach Abzug der Kapitalertragsteuer und einer 3% Sozialabgabe „Deutschlandfond“ an die Aktionäre überwiesen werden. Beispiel: Blackrock hält an der SAP-AG eine Beteiligung von 5,7%, daraus erhielt Blackrock Dividenden von ~ 128 Mio.€. Der Wert des Aktienpaketes betrug ~ 8,2 Milliarden Euro. Die Abgabe an Deutschlandfond würde 3,8 Mio. Aktien oder Äquivalent betragen.

 

Eine weitere denkbare Schwierigkeit könnte bei Personengesellschaften (Aldi, Würth usw.)auftreten. Hier kann der Unternehmenswert = Vermögen, durch die kumulierten Jahresabschlüsse festgelegt werden. Der Unternehmenswert (=Vermögen) entspricht dem siebenfache des EBITDA (Gewinn vor Zins, Steuer und Abschreibung).Grundsätzlich sollten das HGB geändert werden und für Unternehmen mit einem Umsatz >100 Mio. € nur noch die Rechtsform einer Kapitalgesellschaften möglich sein.

 

Meine Vorschläge sollten – nach Überprüfung durch Fachleute – in unser Parteiprogramm aufgenommen werden. Denn die Frage nach einer angemessenen ausgewogenen Einkommens- und Vermögensverteilung ist eine gesellschaftliche die aber nur politisch beantwortet und entschieden werden kann. Ziel soll es sein, dass der Wohlstand, den alle erarbeitet haben, in einer fairen und ausgewogenen Weise allen Mitgliedern der Gesellschaft zugutekommt und aber nicht in Form von Almosen sondern als Rechtsanspruch. Jeder Bürger „besitzt“ eine unternehmerische Beteiligung, für die er selbst „verantwortlich“ ist.

 

Bad Mergentheim, den 24.01. 2022 Hans H. Bauer (FDP)